Dys
Evro
Während der
Hochsaison fährt er achtmal pro Tag, bei Bedarf auch öfter, im
Mai und September nur viermal - mehr zahle sich nicht aus.
Um 9h30 ist die erste Abfahrt, die letzte Rückkehr um 19h30, aber
so genau nehme er es gar nicht, wenn genügend Passagiere da
seien, dann fahre er auch mal zwischendurch.
...
Der ferryman deutet uns geduldig zu warten, bis alle draußen
sind, dann macht er eine kleine Handbewegung - wir können an Bord
- und teilt uns unsere Plätze zu, die Kinder vorne, die
Erwachsenen eher am Heck wegen des Gewichts, obwohl - heute sei
der Wellengang sehr ruhig, nicht so wie vorgestern, vorgestern war
es rougher - hier spricht man ein Kauderwelsch von englisch und
griechisch, er verstehe das Wichtigste von transfer, stormy, no
danger, keep quiet und nausea - but this is a greek word - nausea
- die Seekrankheit, No nausea, here no, ochi. He is a very
experienced ferryman - ich beobachte ihn durch die Sonnenbrille -
hager, gutmütig, die Wogen am Meer entsprechen denen in seinem
Gesicht - nur dass er bisweilen lächelt, wenn er das Steuerruder
nimmt.
...
Die Freundin des jungen Mannes wendet den Kopf und legt drei Euro
in die kleine Kassa für ein Cola. Sie bietet ihrem Begleiter an,
davon zu trinken, er lehnt ab. Der ältere Begleiter der jungen
Frau mit dem Spiegel bekommt einen Anruf per Handy - er versteht
den Anrufer nicht, er beginnt lauter zu sprechen und zu
gestikulieren, Zahlen werden genannt, eine Uhrzeit, Zahlen und ich
verstehe das Wort Prozent. Der Ferryman lächelt - bei der
nächsten Welle muss er von vorne anfangen, nach der Klippe
beginnt eine kurze Strecke über das offene Meer, sodass er wegen
des Windes noch weniger verstehen kann. Erschöpft dreht er sein
Telefon ab.
...
Die Erinnerungen bleiben am Festland zurück. Jetzt hat sich auch
die Kuppel der Kirche verabschiedet. Weiter draußen sonnen sich
einige Segelboote. Die Kinder haben ihre Kekse ausgepackt und
verzehren sie bröselreich. Der ältere Mann legt seinen rechten
Arm um die Schulter seiner Begleiterin, sie lächelt und setzt
sich die Sonnenbrille auf. Der jüngere Mann lächelt dem Meer zu.
...
Wir klettern aus dem Boot, balancieren über den kleinen Steg und
verabschieden uns mit einem polyglotten bye bye.
...
Ich gehe zu dem Kieselstrand und bin einen Moment lang
unschlüssig -habe ich mir so das Ankommen vorgestellt? Das klare
Wasser leckt die sorgsam aufgereihten Steine. Meine Füße
hinterlassen kaum einen Abdruck, so als hätten sie nie den Boden
berührt - als ginge ich über den Strand, ohne Spur ohne
Erinnerung. Ich setze mich in den Schatten eines breit mächtigen
Baumes und lehne die Wange an seine rissige Rinde. Das Fährboot
hat schon längst abgelegt und steuert nun an den Klippen vorbei,
die dem Festland vorgelagert sind.
...
Ich erkenne den Schritt. Es ist die ältere Schwester meiner
Mutter. An der Hand führt sie ein Kind, seine blonden Haare
schimmern im Sonnenlicht. Die beiden kommen zielstrebig zu mir.
...
Ich habe so viele Fragen im Kopf, aber ich finde sie nicht im
Mund. Er bleibt in Entfernung einiger Meter vor mir stehen und
sagt das erste Wort, das ich aus seinem Mund gehört habe. Mama.
Meine Tante legt den Arm um mich und fragt: "Wie viel kostet
jetzt die Überfuhr?" -
"Zwei Euro" antworte ich " nur zwei Euro!" -
"Das ist gar nicht teuer" meint sie.
"Nein" sage ich " Überhaupt nicht!".
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