Egon
Kapellari, Diözesanbischof
Über Sichtbares und Unsichtbares
"Die anatomisch gedachte Zeichnung
denkt von innen nach außen." Josef Mikl "Nicht Abbildung,
sondern Formdeutung" hat schon Monsignore Otto Mauer als die
Grundintention und treibende Kraft der Kunst von Josef Mikl
erkannt.
Daher geht es in Mikls Bildwelten um
Prinzipielles, um Ordnung und grundlegende Gefüge. Er ist stets auf
der Suche nach den inneren Strukturen seiner Gegenstände, die er in
allgemeine Bildstrukturen zu übersetzen versucht und damit das
Ordnungsgefüge der Welt in die Tektonik seiner Bilder transponiert.
Aus dieser Suchbewegung entsteht aber nichts Statisches, vielmehr
scheinen sich Farben, Formen und Linien im langsamen Zueinander -
zuweilen ein wohlgeordnetes Gegeneinander zulassend - beständig neu
zu entfalten. Imaginäre Räume entstehen, die sich auf den Betrachter
zu bewegen, ihn einhüllen oder in eine imaginäre Tiefe schweifen
lassen. Der Sensible spürt den langen Entstehungsprozess und
oftmaligen fragenden Neuansatz in den Kompositionen, bevor sie dem
Blick des Künstlers als vollendet standhalten und für andere
Beschauer freigegeben werden. Immer wohnt den Bildern etwas eigenartig
Ungezähmtes und bleibend Ungebändigtes ein. Sie scheinen weniger
eine versuchte Antwort als die Generierung der Frage zu sein, was denn
die Schönheit dieser Welt, die Ordnung des Kosmos sein könne. Mit
dem Ausbalancieren von Farben, Formen und der Energie des Gestischen
scheint Mikl sich zum Ordnungsgefüge der Welt vorzutasten, es weiter-
und subjektiv neu zu bauen. Auch in seinen ruhigsten Kompositionen
findet sich bei ihm nichts abgeschlossen Beruhigtes, organisch
Wachsendes bleibt auch in Aussparungen, im Abwesenden anwesend. Trotz
der bedächtig gefügten Farben und Formen erscheinen die präzise
orchestrierten Bildkompositionen wie Momente einer längeren
Entwicklungsreihe stetig neuer Bildfindungen.
Graphische,
zuweilen handschriftlich anmutende Spuren verleihen Mikls Bildern
etwas sehr Individuelles. Über einen langen Zeitraum entwickelt er
einen sehr persönlichen Duktus im Graphischen, Schritt für Schritt
fort- und weiterentwickelt aus den frühen zeichnerischen Anläufen,
in denen technisch empfundene Bildstrukturen, Röhren und
Maschinenhaftes dominierten, auch die Organik des menschlichen
Körpers in technisch Maschinenhaftes transponiert wurde. Dem
Linienspiel der späteren Werke - einer Schrift, als deren Inhalt sich
das spontan Subjektive an sich erweist - ist diese Herkunft nicht mehr
anzumerken, und doch erscheint es in gewisser Weise als eine logische,
wenn auch mit viel freierer Organik gefüllte Weiterentwicklung. Die
Frage nach der Konstruktion war schon immer eine Leitidee, ob am
menschlichen Körper, an der Natur oder an der Maschine. Es ist die
Tektonik eines Bildorganismus, die Mikl interessiert. Seine Bilder
erscheinen nur auf den ersten Blick spontan hingeworfen, erweisen sich
bei genauer Betrachtung einem sehr disziplinierten und immer wieder
die eigenen Bildstrukturen hinterfragenden Arbeitsprozess unterworfen:
eine aus ihrem Inneren erwachsende "Suggestion der
Spontaneität" (Wieland Schmied) ist ihnen zu Recht zugesprochen
worden. Resultat einer konsequenten Arbeit am gestischen Moment des
Malerischen, bei der sich der Zufall kongenial mit klarem Kalkül
verschwistert.
Trotz
ihrer einladenden, leuchtenden Farbigkeit - stets ein Fest für die
Augen - sind die Bilder doch gleichzeitig von fast asketischer
Strenge, auf Prinzipielles konzentriert. Auch wenn seit den 80iger
Jahren das unmittelbar Gegenständliche mehr und mehr verschwindet,
scheint das Objekt, das den Ausgangspunkt der künstlerischen
Auseinandersetzung bildete, in seiner Struktur in die Bildordnung
transformiert doch weiterzuleben. Was sich zum Geistvollen, zur
Wahrheit bewegt, braucht einen Inhalt, einen Gegenstand, sonst
verkommt es zum bloß Dekorativen, zum Muster, ist Mikls wiederholt
geäußerte Überzeugung. Er hat sich nie als gegenstandsloser
Künstler verstanden, "gegenstandslose Bilder gibt es nicht"
, hat er apodiktisch in Bezug auf seine Kunst festgestellt.
Die Bilder erscheinen aus
kontemplativer Versenkung erwachsen zu sein, auch wenn der Gegenstand
der Betrachtung bis zur Unkenntlichkeit zurückgetreten ist oder nur
mehr im Titel anklingt. Als religiöser Mensch ist man versucht, eine
Parallele zu religiös inspirierter Kontemplation, zu christlicher
Schau des Transzendenten zu ziehen: Das Taborerlebnis der Jünger
Petrus und Johannes im Gefolge Jesu Christi - es ist vielen
Erlebnissen christlicher Mystik verwandt - berichtet nicht von einer
Auflösung der Gestalt, sondern von deren Verklärung in unsäglichem
Licht. Nicht einer Idee, sondern einer konkreten Gestalt bleibt
christliche Kontemplation stets verhaftet. Es ist Betrachtung, Schau
des Wesentlichen, worauf es vor einem Werk von Josef Mikl ankommt.
Intellektuelles Suchen nach einer bloß geistigen Idee ist ein zum
Scheitern verurteilter Irrweg. Die geistige Arbeit besteht im Schauen.
Es ist nicht eine abstrakte Welt im Kopf, in der seine Bildwelten
anzusiedeln sind - weder in ihrer Entstehung, noch in dem, was sie
beim Betrachter hervorrufen sollen. Sie dringen in nicht sagbare und
doch gestalterisch genau ausgelotete Räume vor, transzendieren den
Gegenstand, ohne ihn ganz hinter sich zu lassen. Gerade darin bietet
sich die Möglichkeit, Dinge nicht von ihrer Oberfläche her, sondern
von ihrem Innern zu erfassen. Der Künstler hat den Weg gewiesen:
Abstraktion meint Konzentration, letztlich geht es um das Einfache,
nicht aber um Simplifizierendes. So einladend die Farbenwelt Mikls
auch sein mag, letztlich ist sie auch Ausdruck einer Verweigerung, dem
Betrachter allzu leichtfüßig entgegen zu kommen. Die Bilder wollen
ein Mühen, Versenkung, lassen sich nicht in der Flüchtigkeit des
Augenblicks erfassen.
Mikls
Farben sind selten ganz opak, bleiben stets durchlässig für dahinter
Liegendes. Wie Membrane zwischen geschichteten Bildebenen erscheinen
die Farbflächen, nach vorne und hinten wie in Atembewegungen
vibrierend. Es mutet wie eine ihnen immer schon einwohnende innere
Notwendigkeit an, dass Mikl diese Bewegung auch in der Technik des
Farbglasfensters verwirklichte (u. a. in der Kirche in Salzburg-Parsch,
in Asten, St. Margarethen oder der Friedenskirche in Hiroshima). Schon
die Entwürfe atmen den Geist diaphaner Schichtungen, die begrenzen,
aber nicht abschließen, sondern öffnen. Glasfenster erfassen und
durchdringen in sich materialisierender Farb-Licht-Substanz den ganzen
Raum; Außen und Innen, Davor und Dahinter werden durch leuchtende
Strahlkraft zusammengebunden. In diese formale wie geistige Bewegung
lässt sich die spirituelle - Inkarnation und Auferstehung als
Ineinander von Diesseits und Jenseits - gut einbergen: das Mysterium
klingt an, ohne, dass es sich in klare Verstandeslogik zwängen
müsste.
Auch hier eine Annäherung in aller
Offenheit und doch - wer sich der Kraft und Präsenz der Bilder Mikls
aussetzt, wird deren Entstehung aus innerer Notwendigkeit spüren -
nach klaren Prinzipien gefügt. Ihre Stärke ist untrennbar damit
verbunden, dass sich das eigentlich Bewegende - die Frage - nicht in
abgeschlossen Ruhendem domestiziert findet. Die Formen scheinen wie im
Entstehen innezuhalten, in genauer Balance der Komposition und doch
darauf angelegt, im Schauenden weiter zu wachsen.